Der Wunsch nach Klarheit und Planbarkeit ist größer denn je, in einer Zeit, die geprägt ist durch ein Gefühl des Kontrollverlusts.

Doch die Corona-Krise bedeutet Umdenken und Durchhalten, ohne genau zu wissen, wo uns das hinführt – zwei Resilienzfaktoren, die gerade jetzt wichtig sind

 

Die Corona-Krise bleibt uns noch auf nicht absehbare Zeit erhalten, da hilft es auch nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Aber wie geht man mit dieser psychischen, teils sogar physischen Belastung um? Woher nimmt man die Kraft und Motivation, mit dieser Krise zu leben und sich ggf. neu zu orientieren? „ Durchatmen und Ärmel hochkrempeln ist jetzt die Devise“, empfiehlt
Elli Zartmann, Mental Coaching Expertin und Mindest Trainerin.

Für die meisten Menschen ist im März eine kleine Welt zusammen gebrochen, teils mit verheerenden Auswirkungen. Die Generation von heute ist den Umgang mit einer länger andauernden Krise, die sich auf nahezu alle Bereiche, egal ob beruflich oder privat, auswirkt, schlichtweg nicht gewohnt. Unsere Eltern und Großeltern sind die Generationen, die das Durchhalten und Wiederaufstehen durch die Kriegsjahre zuletzt erfahren haben. Damals sprach man noch nicht von Resilienz. Ohne genau zu wissen, wo sie das hinführt, haben sie „Stein für Stein“ ihr Leben wieder aufgebaut.

Eine Expertin auf diesem Gebiet, Elli Zartmann, hat es dieses Jahr selbst erlebt: „Meine gebuchten Trainings und Coachings wurden bis auf Weiteres storniert. Wann sie stattfinden können, ist unklar, da sich viele Unternehmen und auch Privatpersonen immer noch in Unsicherheiten und auch in existenziellen Nöten befinden. Anfang Mai hatte ich meinen persönlichen Tiefpunkt erreicht. Als alleinerziehende Mutter fühlte ich mich kurzzeitig meinen Ängsten ausgeliefert und hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.

An diesen Tagen im Mai konnte ich aber auch mit Erstaunen feststellen, dass ich scheinbar eine so große innere Stärke und ein immens großes Vertrauen in die Zukunft habe, dass ich die Emotionen durchlebt habe, dann einen Sinn für mich in der ganzen Krise sehen konnte und dadurch wieder in meine Kraft kam, um zu überlegen was nun zu tun ist und einen Schritt nach dem Anderen zu gehen.“

Trotz ihrer Ausbildung und Erfahrungen als Mental Coach war auch Elli Zartmann gegenüber den neuen Umständen zunächst wie gelähmt. Doch die als Coach gelernten Methoden und ihr entwickeltes Mindset, stete Auseinandersetzung mit Emotionen, Denkmustern, dem gesamten Innenleben und der Wirkung im Außen, ließen sie schnell die eigenen Chancen erkennen, und wie sie anderen helfen kann, einen Weg aus der Krise zu finden.

An sich klingt es beinahe banal: Wichtig ist, immer wieder aufzustehen, das Leben selbst wieder in die Hand zu nehmen und nicht die Verantwortung auf Andere oder die Umstände abzuwälzen.
Es bedeutet, Dinge, die nicht zu verändern sind, zu akzeptieren und dann nach Lösungen zu suchen. Bleibt man in der Angst, Wut oder Hoffnungslosigkeit stecken oder in der Suche nach einem Schuldigen, ändert sich nichts, weil unser Gehirn nicht darauf ausgelegt ist, gleichzeitig wütend zu sein und sinnvolle Entscheidungen treffen zu können. Das funktioniert nicht.
„Erst wenn ich es geschafft habe, in eine innere Ruhe zu kommen, mich „runterzufahren“, meine Ängste und die auslösende Situation mit ihrer Ungewissheit zu akzeptieren, einen Realitätscheck der Wahrscheinlichkeit zu machen, kann ich Lösungen finden,“ erläutert Elli Zartmann. „Wir müssen lernen es auszuhalten, dass nichts wirklich klar ist und nichts wirklich planbar“.

Und dieser Prozess, die Wandlung in etwas Positives, kann trainiert werden. Resilienz ist in diesem Zusammenhang ein derzeit sehr häufig auftauchender Begriff und wird sehr unterschiedlich definiert. Früher als eine statische Charakteristik eines Menschen, als etwas das man eben hat oder nicht, wird es inzwischen als ein dynamischer Prozess beim Vorhandensein belastender Ereignisse und Schwierigkeiten beschrieben, also als die Fähigkeit, Entwicklungsaufgaben erfolgreich zu bewältigen und eine Anpassungsfähigkeit mit biologischer und neurobiologischer Veränderung aufzuweisen. D.h. in unserem Nervensystem und Gehirn entstehen Veränderungen, die uns weiter befähigen und für die nächsten Vorkommnisse widerstandsfähiger machen.

„Vereinfacht ausgedrückt: Wir wachsen mit unseren Aufgaben in einem dynamischen Prozess. Wie stark wir sind, merken wir oft erst, wenn uns keine andere Möglichkeit mehr bleibt, wenn wir unsere Komfortzone verlassen müssen. Und wieviel Herausforderung wir meistern können, ist sehr unterschiedlich,“ so Zartmann.

Fazit und Hintergrundinformationen zum Thema Resilienz:

Welche Faktoren unsere vorhandene Resilienz beeinflussen, ist noch nicht klar. Die Forschung ist zu der Aussage gekommen, dass es dazu Langzeit – und Längsschnittstudien braucht, die viele Faktoren beinhalten.

Der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky (1923-1994) fand in seinen Forschungsarbeiten mit Überlebenden aus Konzentrationslagern des zweiten Weltkrieges heraus, dass die Stärkung der Widerstandskräfte in großem Zusammenhang steht mit einem Kohärenzgefühl, das sich durch drei Aspekte auszeichnet: Ein Gefühl der Verstehbarkeit, der Handhabbarkeit / Selbstwirksamkeit und der Sinnhaftigkeit.

Der derzeitige Stand und meine eigene Erfahrung ist, dass wir mentale und emotionale Widerstandskräfte entwickeln können durch eine immerwährende reflexive Veränderung in unserem Denken und durch achtsamen Umgang mit unseren Ressourcen.
Wir brauchen immer wieder Erholungsphasen. Da sind auch schon kurze Pausen des NICHTStuns sinnvoller und hilfreicher als Durchpowern bis zum nächsten Urlaub, mir immer wieder kurz Zeit zu nehmen zum Überprüfen meiner Gedanken, die mit den Ängsten verbunden sind.
Denn meistens sind das antrainierte negative Denkmuster aus der Kindheit, die wir als wahr erachten, die aber gar nicht der Wahrheit entsprechen, weder realistisch noch hilfreich sind. Neue Möglichkeiten für neue Denkmuster zu entdecken, einen Sinn dahinter zu sehen und zu verstehen, anzuerkennen, dass es viele unterschiedliche Perspektiven und Sichtweisen gibt und nicht die eine wirkliche Wahrheit, hilft uns zu relativieren, uns wieder positiv auszurichten und dadurch diese Widerstandskraft zu trainieren.

Und weil unsere Psyche gekoppelt ist mit unserem Immunsystem hilft uns das auch, resistenter gegen Krankheiten zu werden.

Wenn wir das kultivieren als einen neuen Lebensstil, stärken wir unsere Resilienz und machen uns psychologisch und physiologisch widerstandsfähiger.
Und das ist das, was wir generell und vor allem in Krisen wie jetzt brauchen.

Also negative Bewertungen und Worst Case-Szenarien loslassen, Ärmel hochkrempeln, dem Leben einen Vertrauensvorschuss geben, uns auf bereits bewältigte Schwierigkeiten besinnen und weitermachen.
Es ist in uns Menschen angelegt, Lösungen zu finden und zu schaffen, wir müssen uns das nur zutrauen.

12.10.2020 – Pressetext

Quellen:

link.springer.com
Leitthema
Published: 06 June 2018
Verläufe von Resilienz – Beispiele aus Längsschnittstudien
Resilience trajectories—examples from longitudinal studies
J. Lindert, A. Schick, A. Reif, R. Kalisch & O. Tüscher 

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